Creative Arts by Philipp&Philipp
10. August 2017

Daily Archives

  • Die Studentenstadt Tartu

    Nach der ersten Nacht im „creepy“ Hotel erholen wir uns bei einem leckeren Frühstück, welches nur für uns alleine zubereitet wurde. Danach fahren wir nach Tartu, wo wir unser äusserst verschmutztes Auto waschen. Danach fahren wir ins Zentrum der Studentenstadt, welche sich trotz Semesterferien äusserst lebhaft präsentiert. Dank den über 12‘000 Studenten wird der südestnische Ort auch oft als „Heidelberg des Nordens“ bezeichnet.  Das Wahrzeichen der Stadt ist, bezeichnenderweise, ein Brunnen mit einer Statue von zwei küssenden Studenten, welchen wir aufsuchen und fotografieren.

    Danach setzen wir uns am Hauptplatz noch etwas hin und schauen dem Treiben auf den Gassen zu: Die Bühne für das LoveTartuFilmFestival wird gerade aufgebaut. Nach einiger Zeit fahren wir in Richtung Norden, wir möchten im Tierpark Elistvere gerne mehr über die lokale Fauna erfahren. Die positiven Kommentare auf den Bewertungsportalen lassen uns in Vorfreude schwelgen, welche sich nach Ankunft jedoch schnell verflüchtigt: Die Tiere werden leider in viel zu kleinen Gehegen gehalten und vergleicht man beispielsweise das Fell der Luchse mit jenen, welche im Bruderholz Winterthur leben, erkennt sogar der Leihe, dass es diesen wunderschönen Tieren hier nicht besonders gut geht, weshalb wir von einen Besuch abraten!

    Etwas betrübt machen wir uns auf den Weg zurück. In der Tasku Centre Shopping Mall in Tartu gönnen wir uns ein leckeres Abendessen im Baby Back Rips Restaurant und danach kaufen wir im Supermarkt noch einige Dinge ein. Wir fahren weiter zu unserer Unterkunft und halten bei Sonnenuntergang noch bei der Windmühle von Sudaste, welche sich im besten Licht fotografieren lässt.

    Nach einem wiederum langen Tag kommen wir gegen 20:00 Uhr in Mooste Manor an. Anscheinend hat sich im kleinen Weiler schon rumgesprochen, dass zurzeit zwei Fotografen in der Herrberge gastieren und so werden wir bei unserer Ankunft von Liina abgefangen. Sie überredet uns, einige Fotos von ihrem Freund Roomet in seiner Werkstatt zu schiessen. Er hat gerade ein Messer für seinen nach Finnland ausgewanderten Freund Peeter fertig geschmiedet und präsentiert uns dieses stolz. Das E600 Messer wurde in mühsamer Handarbeit und ohne Hilfe elektronischer Werkzeuge, ganz spezifisch für Ihn hergestellt.

    Alleine im Teak-Holzgriff stecken sechs Stunden Arbeit. Die Klinge besteht aus 56 Sichten Spezialstahl und wurde mit dem sogenannten Horse stithy und einem kleinen Hammer bearbeitet. Durch ein aufwändiges Finish arbeitete Peeter schliesslich das hypnotisierende Muster in die Klinge. Das Resultat: Ein Meisterwerk. Die vier Freunde – nebst Liina, Roomet und Peeter ist auch der etwas kurlig anmutende Rene in der Werkstatt – feiern die Fertigstellung des Kunstwerks mit Bier, Vodka und Gelächter. Wir kommen schnell ins Gespräch, setzten uns an den runden Tisch vor unserer leeren Herrberge und teilen Speis und Trank. Eigentlich wollten wir am heutigen Abend noch unseren Blog aktualisieren, was jedoch kommen würde war um einiges besser: Viele Interessante Geschichten über das Baltikum, das ländliche Leben jetzt und in vergangenen Zeiten und die Geschichte einer kleinen Truppe, die sich schon seit Kindesjahren kennt. Ein unvergessliches Erlebnis und Highlight dieser Reise. Wir sitzen in einem abgelegenen estnischen Weiler, in welchem wir zu zweit ein Herrenhaus bevölkern und treffen auf die vier Freunde aus dem Nachbarsdorf, welche die Werkstatt des ehemaligen Gutes gemietet haben und hier ab und an einen Abend verbringen; solche Geschichten schreibt wirklich nur das Leben. Geschichten haben sie auch zu genüge auf Lager. Peeter wanderte vor einigen Jahren nach Finnland aus und besucht die Heimat nur noch sporadisch. Sein Urgrossvater war ein Waldbruder, welcher gegen die Besetzung des Balitkums durch die Sowjetischen Truppen kämpfte und im Krieg starb. Seine Urgrossmutter wurde ebenfalls ermordet und so war seine Grossmutter mit nur fünf Jahren komplett auf sich allein gestellt. Liina kaufte ein Haus mit Land und hilft Roomet, dieses zu renovieren. Bis dieses fertiggestellt ist lebt sie in einem Container. Roomet ist so etwas wie der Chef der Truppe. Er hat viele Jobs, zur Zeit baut er beispielsweise ein Haus für seine Mutter. Land gibt es hier übrigens schon für rund 100 Euro, wenn man sich verpflichtet, innerhalb von fünf Jahren ein Haus zu bauen. Auch Rene erzählt einiges aus seinem Leben und spielt noch auf dem Klavier, welches sich im Eingangsbereich befindet. Es ist schon weit nach Mitternacht, als wir uns langsam verabschieden und noch ein kleines selbst geschmiedetes Geschenk überreicht bekommen: Ein Schlüsselanhänger und ein Flaschenöffner, welche einen Ehrenplatz bekommen werden.